What to find here?

Montag, 10. Dezember 2012

Im Traumland







Im Vorrübergehen


Seit ich in Shanghai wohne, in diesem hohen und hässlichen Ungetüm, umgeben von einem Gewimmel kleiner Häuschen und Haustierverkäufer, gehe ich kaum noch spazieren. Liegt es daran, dass es kaum schöne Parks gibt, in denen man sich verlaufen kann? Dass es nicht dem Wesen der Stadt entspricht, für eine Weile nichts zu machen, außer langsam zu laufen? Früher, als ich in Hangzhou wohnte, musste ich nur meinen Campus überqueren und schon war ich in in den Bergen, am See oder im Botanischen Garten und ging oft stundenlang spazieren. Danach war mein Kopf wieder frei, um noch mehr chinesische Schriftzeichen aufzunehmen.

Eigentlich hatte ich mir den Tag freigenommen. Doch weil meine Kollegin mich dann doch überredet hatte mir ihr zu einem Vortrag eines Professors der Parteihochschule für die Stadtkader der Behindertenverbände zu gehen, konnte ich erst abends mit dem Zug nach Hangzhou fahren. Als ich ankam, war es schon dunkel und mit mir standen nun die unzähligen Pendler, die sich diese Menschenmengen täglich antun, in der unterirdischen Taxischlange. Ich gab nach einer halben Stunde auf und ging zu Fuß. Bahnhofsgegenden sind nie die schönsten Ecken einer Stadt - das trifft auch auf Hangzhou zu - aber nach wenigen Metern im Freien, konnte ich mich wieder genau erinnern, was ich an dieser Stadt so liebte.

Als ich das erste Mal Hangzhou besuchte, stieg ich völlig verkatert nach einer durchgemachten Nacht aus dem Flugzeug. Es war mild und zum ersten Mal roch ich in China die Luft, die mich umgab. Nach einem guten Monat im bitterkalten Beijing, erschien mir Hangzhou wie eine Erlösung von dieser wirren, Blade-Runner-Stadt. Während in Beijing und in Shanghai die Menschen stumpf und mit starrem Blick nach vorn gerichtet durch die Strassen eilen, gehen hier die Menschen noch spazieren. Während in Beijing und Shanghai die Leute wie Wahnsinnige ins Fitnesstudio rennen, wird in Hangzhou abends am See getanzt, gemeinschaftliche Fitnessübungen gemacht oder - wie ich früher auch - um den See herum gelaufen.

Früher musste ich nur den Berg hinter meinem Campus überqueren und schon war ich am See. Ich schrieb schnell eine Nachricht an meinen guten Freund und schon trafen wir uns zu einem Bier oder einem Tee am See und schauten hinaus aufs Wasser. Darum war ich nun sehr froh, dass er mich an diesem Tag nach Hangzhou einlud, um zu einer Einweihung eines neuen Photostudios zu kommen und schon kurz nach meiner Ankunft spazierten wir wie früher am See entlang. Die Bergsilhouetten verschwammen am Horizont und kleine Pagodenspitzen leuchteten wie kleine Sterne in den Bergwipfeln.

"Kennst du Gu Hongming? Ich lese gerade viel Literatur aus der Zeit des Ende der Qing Dynastie. Gu Hongming war auch nach der Xinhai Revolution ein treuer Anhänger der Monarchie und des Konfuzianimus. Lernt ihr das auch in der Uni?", fragt er mich? "Nein, von Gu Hongming habe ich leider noch nicht gehört", muss ich zugeben. "Ich habe in letzter Zeit viel über diese Periode gelesen, aber gerade in der Uni behandeln wir eher die Refomer, als die Konservativen."
"Ich finde es sehr wichtig, sich mit diesem Zeitabschnitt um die Jahrhundertwende zu beschäftigen", fährt er fort. "Viele Debatten die damals geführt wurden, sind den heutigen sehr ähnlich. Damals schwankte man zwischen Modernisierung oder Traditionalismus. Wie sah die chinesischen Moderne aus, wenn man nicht den westlichen Weg einschlagen wollte und konnte? Mit genau diesen Fragen beschäftigen wir uns heute immer noch. Und übersehen dabei oft, dass schon vor mehr als 100 Jahren schlaue Antworten gefunden worden sind."
 
Wir setzen uns in eine der kleine Pagoden, die den See säumen und schauen den kleinen Ruderbooten hinterher, die langsam über das Wasser wandern. "Ich mag den Vergleich zwischen heute und dem Ende der Ying Dynastie. Vor 100 Jahren kreisten die Debatten eigentlich um genau das gleiche Problem wie heute: Wohin? Tradition und Moderne zu welchem Anteil?", sage ich. "Dass es nicht entweder oder ist, zeigt Hangzhou. Dass es nicht einseitig sein darf, das zeigt Shanghai. Ich sollte Gu Hongming lesen."

Mein Freund zögert kurz. "Eigentlich sind wir in Hangzhou um die Ruhe zu genießen. Heute wollen wir nur spazieren gehen. In Shanghai können wir uns dann wieder mit solchen abtrakten Konstrukten wie der Moderne auseinandersetzen. Dort bleibt uns sowieso nichts anderes übrig."




Sonntag, 2. Dezember 2012

In den Gassen von Honkou

Als ich das erste Mal nach Shanghai kam, übernachtete ich nicht in der französischen Konzession und nicht im Stadtzentrum, sondern im nördlichen Honkou. Es war ein wunderschön hergerichtetes und kleines Hostel, versteckt in kleinen chinesischen geprägten Alleen und ich war ganz hingerissen von der Mischung aus europäischer Architektur und chinesischem Strassenchaos. Ich liebte es durch die kleinen Gassen zu wandern und abends auf den Strassenmärkten Muscheln mit ganz viel Öl und ganz viel Knoblauch zu essen und auf meinem Plasikhöckerchen ein Bier nach dem anderen zu trinken. Die Gassen waren voll mit dampfenden Töpfen, gefüllt mit Meerestieren, Eingeweiden und Zungen, überall wurden Kleinigkeiten verkauft, überall wurde gegessen und getrunken und dazwischen schlängelten sich Autos und Motorräder. Der Bund und alle anderen Sehenswürdigkeiten konnten mich hier dagegen nie allzu sehr reizen.
Das Hostel, das ich auf Empfehlung von Bekannten buchte, wurde mein Ausgangspunkt in Shanghai. Ich freundete mich mit dem Besitzer an, er bewirkte, dass ich mir meiner Faszination und Zuneigung für China bewusst wurde, er gab mir meinen chinesischen Namen, ich erlebte wie er plötzlich Vater wurde. Als ich jedoch das erste Mal dort übernachtete, war ich völlig unwissend, in was für einer Umgebung ich nun schlafe.

Mehr als zwei Jahre war ich nun nicht mehr dort in Honkou. Ich wohne nun in der verwestlichen Französischen Konzession, in der es mehr westliche Bäckereien, als Baozi gibt und mehr Kaffee als Tee getrunken wird. Zur Erholung schwinge ich mich auf mein Rad und fahre trotz Regen in den Norden.

Shanghai -  die Stadt mit den höchsten Wolkentkratzern, mit den größten Hotels, das viele Geld, die schicksten Restaurants, die schnellsten Transportmittel. Ausländer können sich ganz wie zu Hause fühlen; es gibt Spekulationskekse und Baumkuchen, Hummus und Shakshuka, Baby und Kindermode, die man auch in Berlin-Mitte finden würde, Schwangerenjoga und französische Wein und Käsebars.

Als 1933 die ersten jüdischen Flüchtlinge aus Deutschland in Shanghai aufschlugen, war die Stadt zwar schon international geprägt, aber doch noch ein ziemlich schreckliches Gewimmel. Das Klima war unerträglich schwül, die Wohnräume erbärmlich. Kaum einer wusste, dass man sein Gemüse und Obst vor dem Verzehr abkochen musste, es kam zu Krankheiten. Für viele jüdischen Flüchtlinge, die sich entschieden hatten, die lange Schiffahrt nach Shanghai auf sich zu nehmen, war es jedoch die letze und einzige Chance der Shoah zu entkommen. Die Konferenz von Evian hatte gezeigt, dass sich die Aufnahmebereitschaft der meisten Länder in Grenzen hielt. Keines der Länder lockerte seine Aufnahmebedingungen, niemand erhöhte die Aufnahmequote. So bliebt für viele Juden nur noch eine Möglichkeit: Shanghai, denn hier benötigte man für die Einreise kein Visum.

Shanghai war mit dem Vertrag von Nanjing 1842 zur Öffnung für den Handel mit ausländischen Mächten gezwungen worden. Nach und nach sicherten sich zunächst die Engländer, dann Franzosen, Amerikaner und schließlich die Japaner exterritoriale Rechte und stellen Teile Shanghais unter ihre jeweilge Jurisdiktion. Durch den verstärkten internationelen Handel wuchs die Einwohnerzahl und die wirtschaftliche Bedeutung erheblich. In den 1920er Jahren war Shanghai die schillernste und wirtschaftlich florierendste, aber gleichzeitg auch die berüchtigste Stadt Asiens.

In Folge der Machtergreifung Hitlers kamen zunächst rund 15 000 Juden, hauptsächlich aus Östereich und Deutschland, nach Shanghai, deren Strom sich nach der Reichsprogromnacht nochmals erheblich verstärkte. Es war weniger die jüdische Oberschicht, die auf den letzten Drücker nach Shanghai flüchtete, sondern die weniger betuchten Juden und da sich die meisten von ihnen das Leben in der internationelen Zone nicht leisten konnten, zog es sie in das ärmlich und chinesische Honkou.
Shanghai war jedoch 1937 in die Hände der Japaner gefallen. Die Situation verschärfte sich nun im Zuge des chinesich-japanischen Krieges erheblich. Lebensmittel, Wohnraum und Arbeit wurde noch knapper, was sich natürlich auch auf die Bereitschaft mehr Flüchtlinge aufzunehmen ausübte. Nach 1939 verschäften die Japaner die Einreisebestimmungen und am 18. Februar 1934 errichteten die Japaner schließlich  - auch auf Druck des Verbündeten Deutschlands - ein Ghetto in Honkou, wo die Lebensbedingungen noch härter waren. Man benötigte einen Passierschein um das Ghetto zu verlassen und die Japaner waren in China nicht gerade für ihre humanitäre Freundlichkeit bekannt. Hilfe kam nur von jüdischen Vereinen, die von von wohlhabenden lokalen Juden gegründet worden waren.

Michael Blumenthal war eines der Kinder, die eines der letzten Schiffsplätze Richtung Shanghai ergattern konnten und schließlich in der Zhongshan Lu, dem Zentrum des jüdischen Ghettos, wohnte. Nach der Befreiung des Ghettos am 3. September 1945 ging er mit seiner Familie wie viele andere nach Amerika. Nie wurde Shanghai als eine neue Heimat angesehen, sondern immer nur als Übergangslösung und so zogen die Shanghaier Juden nach Kriegsende in alle Richtungen weiter: nach Amerika, nach Australien oder nach Israel. Blumenthal machte Karriere, stieg auf bis zum Finanzminister unter President Carter und ist seit 1996 Direktor des Jüdische Museums in Berlin.
Wenige blieben in China, darunter der östereichische Urologe Jakob Rosenthal. Schon 1941 begleitete er als Militärarzt die kommunistische Armee. Als Mitglied der chinesischen Volksbefreiungsarmee kämpfte er gegen die Japaner und später im chinesischen Bürgerkrieg gegen die Guomindang.  Nach dem Sturz des Nazi-Regimes, entschied der österreichische "General Luo" in China zu bleiben und am Marsch der Roten Armee nach Beijing teilzunehmen. Er kehrte 1949 nach Wien zurück, dem Jahr in dem die Volksrepublik China gegründet wurde. 

All das wusste ich nicht, als ich zum ersten Mal durch das Honkouer Durcheinander wanderte und ich mich wunderte über die kleinen, doch viel zu europäisch angehauchten Häusern, den man jetzt noch ihre Vergangenheit ansieht. Am Ende der Zhongshan Lu fiel es mir dann wie Schuppen von den Augen. Ich stand vor der Ohel Moshe Synagoge, die jetzt als Museum für Jüdische Flüchtlinge in Shanghai dient.

Die Strasse sind in Honkou nun weitgehend aufgeräumt. Die wirren Essenstände sind in die Häuser getrieben worden, viele Strassemärkte verboten worden, mein Lieblingsbarbeque exisiert nicht mehr. Manche Dinge hier verändern sich in Windeseile, andere sind in einen schleichenden Prozess verwickelt.



Dienstag, 20. November 2012

Der Herr und Gebieter über mein Internet


Während des 18. Parteitages begrüsste mich mein VPN jeden Morgen mit dem Hinweis der eingeschränkten Nutzung in China. An die Nervereien, die damit verbunden sind, regelmässig einen Blog zu schreiben, andere zu lesen und meine Facebook Nachrichten zu beantworten bin ich gewöhnt und sie sind überbewertet. Wer möchte, der weiss wie man die Great Firewall umgeht. Doch während des 18. Parteikongresses verschärfte sich nun abermals die Lage. Google wurde zeitweilig gesperrt, die VPNs ausser Kraft gesetzt und die Zensur von Mikroblogs massiv verschärft.

Jedes Mal, wenn der VPN seinen Geist aufgibt und ich meine Emails nicht abrufen kann, möchte ich einen Kopf vor mir sehen, den ich in meiner Vorstellung an den Pranger stellen kann. Mit Frust und Ärger gehe ich besser um, kann ich jemanden dafür verantwortlich machen. Aber an wem lasse ich meinen Frust aus, wem gebe ich die Schuld daran, dass meine Internetverbindung zu langsam ist oder die New York Times gesperrt ist?

Der Zensur- und Propagandachef der KP, der die rund 538 Millionen Internetnutzer in China kontrolliert, heisst Liu Yushan und hat seit letzter Woche einen der begehrten Plaetze im Ständigen Ausschuss des Politbüros ergattert. Lius ehemaliger Boss Li Changchun, der im letzten Ständigen Ausschuss für Zensur und Progapanda zuständig war, wird meist für die verstärkte Zensur der Medien in den letzten Jahren verantwortlich gemacht. Denn seit der Machübernahme Hu Jintaos wurde eher eine Verschlechterung der Medienfreiheit beobachtet. Plazierte "Freedom House" China 2007 noch auf Platz 163, so stieg China 2011/2012 auf Platz 174 ab. Angesichts der konservativen Prägung des Ständigen Ausschusses gehen viele Beobachter davon aus, dass sich die Situation noch verschlimmert. Aber was könnte noch alles gesperrt werden? Welche Regelungen können noch eingeführt werden, um die Medien und Internetnutzung noch stärker einzuschränken?

Erinnern wir uns zunächst, was wir Li Changchun verdanken. Seit 2009 - seit den Unruhen in Xinjiang - sind Twitter und Facebook gesperrt. Human Rights Websites kamen hinzu, genauso wie Youtube, Blogspot, Wordpress, Bloomberg und IMDB. Seit letztem Oktober fand sich dann auch die New York Times auf der Liste der gesperrten Websites. Anfang diese Jahres erregte die Ausweitung der Registrierungspflicht für Mikroblogger und Forumsnutzer regulärer Blogs grosse Empörung. Nutzer müssen sich von nun an mit ihrem richtigen Namen registrieren lassen, was auf eine verstärkten Kontrolle der Blogger hinausläuft.
Mikroblogging - die chinesische Entsprechung zu twittern - ist in China jedoch extrem beliebt. Allein Sina Weibo, das Netz, das Twitter nach seiner Sperrung ersetzte, hat rund 300 Millionen Nutzer. Nicht nur brisante Inhalte werden bei Sina herausgefiltert, User können auch gesperrt werden, wenn sie über sensible, politische Themen schreiben. Tippte man während des Parteitages "party congress" in die Sina-Suchzeile, wurde angezeigt: "Due to relevant laws, policies and regulations, the result of your search are not displayed."

Wer aber ist dieser Liu Yunshan, von dessen Gnade die weltweit grösste Gruppe von Internetnutzern abhängt? Liu, 1947 in Xinzhou (Shanxi) geboren,hatte in der Inneren Mongolei Erfahrungen im Propagandaapperat gesammelt. Zunächst arbeitete er als Lehrer, später bei der staatlich kontrollierten Nachrichtenagentur Xinhua und schliesslich in einer Propagandaabteilung der KP beschäftigt. 1993 wurde er nach Beijing als Vizeleiter der Propagandaabteilung des Zentralkomitees der KP berufen. 2002 stieg er zum Leiter der Propagandaabteilung auf und wurde Mitglied des Politbüros.
Du Daozheng, ein liberaler und reformbefürwortender Parteiveteran, war als Chef der "General Administration of Press and Publications" in den späten 80er Jahren, Lius Vorgesetzer, als dieser als Xinhua Reporter in der Inneren Mongolei arbeitete. Einem Artikel der "South China Morning Post" (17.11.2012, Verna Yu) zufolge beurteilt Du seinen Untergebenen Liu folgendermassen: "Liu himself is not a bad person. I have know him for years. He is a boy from the countryside, worked hard at school.(...) Later he went to the central propaganda department and basically followed that tune." He said Liu became conservative after entering the party's propaganda department."



Liu Yunshan
© REUTERS/Jason Lee

Welche Spielereien lassen Sie sich, Herr Liu, nun also noch einfallen, um die chinesische Internetgemeinde und damit auch die öffentliche Meinung unter Kontrolle hatte?


Mittwoch, 14. November 2012

Machtspielchen

An diesem Morgen kurz vor 12 Uhr mittags, trat Xi Jinping vor die Presse und beendete das Rätrselraten um die neue Führungsriege der Kommunistischen Partei Chinas. Gefolgt von den sechs neu gewählten Mitgliedern des "Ständigen Ausschusses" trat er in die Grosse Halle des Volkes ein, um den wartenden Journalisten die Ergenisse der Wahl zu verkünden. Auf Xi Jinping folgte Li Keqiang, der Nachfolger Wen Jiabaos und fünf weiteren Abgeordneten, was bedeutet, dass die Mitgliederanzahl des "Ständigen Ausschusses" von neun auf sieben reduziert wurde.

Nacheinander traten ein:
Zhang Dejiang, der bisherige Vize-Premierminister hatte Bo Xilai im März 2012 in Chongqing als lokalen Parteichef abgelöste. Er ist ein Experte für Nord Korea, wo er 2 Jahre lang studierte und gilt als Protegé Jiang Zemins.
Gefolgt wurde er von Yu Zhengsheng, dem ehemaligen Parteisekretär von Shanghai. Auch er ist ein Schützling Jiangs und gilt als sehr konservativ. 2007 hatte er Xi Jinping als Parteichefs Shanghai abelöst. Er wird in 5 Jahren nicht wieder als Kandidat für den Ausschuss antreten koennen, da er das festgelegte Rentenalter von 68 Jahren ueberschritten haben wird.
Liu Yunshan, der anschließend eintrat, ist der Direktor der Propagandaabteilung der Partei und damit fur die Medien und dessen Zensur zuständig. Auch er gilt als konservativ aber als ein Protegé Hu Jintaos.
Wang Qishan, Vize-Premierminister, war jahrelang als Chefunterhändler zuständig für die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den USA. Während den Olympischen Spielen war er Bürgermeister in Beijing. Wie Yu Zhengsheng wird er nach 5 Jahren aus dem Ausschuss ausscheiden, da er zu alt sein wird. Im Gegensatz zu den bereits genannten gilt er als liberal.
Als letzter trat Zhang Gaoli in den Saal ein. Zhao, der Parteivorsitzende von Tianjin, gilt wie auch Zhang Dejiang und Yu Zhengsheng als ein Günstling Jiang Zemins.

Drei der sieben Mitglieder des Ständigen Ausschusses gelten damit als Protegés Jiang Zemins, der 2002 als Parteichef abgelöst wurde, was eine sehr unausgewogene Mischung bedeutet.
Nur einer konnte das Machtspielchen gewinnen: Jiang Zemin oder Hu Jintao. Viele Chinaexperten sprechen von einer in zwei Fraktionen gespalteten Partei. Auf der einen Seite, die "Shanghaier Clique", die sich aus Schützlingen und der Folgschaft Jiang Zemins zusammensetzt und einen sehr konservativen Ruf hat. Hu Jintao steht an der Spitze der anderen Koalition, deren Zentrum die "Kommunstische Jugend Liga" ist. Die neue Aufstelleung bedeutet, dass Jiang sich durchsetzen konnte.

Was bedeutet diese Aufstellung aber nun für die politische Richtung Chinas? Der Ständige Ausschuss ist konservativ geprägt und nicht, wie viele noch vor ein paar Wochen hofften, liberaler als vorher angehaucht. Weder Wang Yang, der jetzige Parteichef Guangdongs, noch die einzige Frau Liu  Yandong, die als Kandidatin im Gespäch war, haben einen Sitz erhalten. Es ist eine vorsichtige Entscheidung, die nicht erwarten lässt, dass es zu radiakalen Veränderungen und tiefen Reformen kommen wird. Die Aufstellung klingt definitiv nicht nach grossen Veränderungen.
Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Hu Jintao wirkte Xi Jinping jedoch erfreulich entspannt. Er lächelte viel, wirkte selbstsicher und gar nicht steif. Und, das betonte meine Kollegin, Xin habe eine sehr angenehme Stimme, die rein gar nicht nach bedrohlicher Propagandastimme klänge.



http://www.bbc.co.uk/news/world-asia-china-20322288


Xi leads top leadership to meet press
[Photo/Xinhua]

Nebenbei

Eigentlich gibt es heute wichtigere Neugkeiten, denn um 11 Uhr chinesischer Zeit sollen die neu gewaehlten Mitglieder des Staendigen Ausschusses der Presse vorgestellt werden.
Aber vielleicht auch interessant zu erwahnen ist, dass laut dem Shanghaier Gesundheitsministerium 40 Prozent der Shanghaier Bevoelkerung uebergewichtig oder gar adipos sind, wobei die BMI Messlinie in China aufgrund der genetischen Unterschiede zu Europaeern heruntergesetzt wurde. Als uebergewichtig werden in China diejenigen eingeschaetzt, die einen BMI ueber 24 aufweisen oder als adipos mit einem BMI ueber 28. Die "China Daily" (14.11.2012) spricht gar von einer "obesity epidemic". Nun moechte die Shanghaier Lokalregierung dagegen angehen und organisiert einen Wettbewerb, um die Bevoelkerung anzutreiben abzunehmen. Shanghaier, die erfolgreich 3 Kilogramm abnehmen, wird ein Preisgeld bis zu 2000 Yuan ($321) versprochen.

Montag, 12. November 2012

BeiShang









Shanghai und Beijing sind ein wenig wie München und Berlin. In München ist es zwar wärmer, aber Berlin taugt mir doch mehr.


nichts

"Die eigentliche kreative Leistung des Gehirns besteht darin, permanent eine informatische Müllbeseitigung vorzunehmen. Es wird in unseren Köpfen sehr viel Sinnloses erzeugt. Wenn die Beseitigung dieses Datenmülls nicht richtig funktioniert, führt das zu Störungen – etwa der Schizophrenie. Durch den kreativen Prozess entsteht nur das, was eine Möglichkeit hat, sich in dieser Welt zu bestätigen."
(http://www.welt.de/wissenschaft/article110854609/Multitasking-ist-die-Vernichtung-von-Kreativitaet.html?wtmc=google.editorspick?wtmc%3Dgoogle.editorspick&google_editors_picks=true)


Sonntag, 11. November 2012


Nur wenige Meterabseits vom Weg - und ich entschwinde vollkommen dem Trubel auf den Strassen. Als ich mit kleinen Schritten durch das Tor trete, stehe ich in einem der Vorgärten und die Bambushecke ist wie eine dicke Mauer, hinter der mir die Hektik der Straße nichts mehr antun kann. Ich finde ein altes Schaukelpferd auf das ich gerade noch hinaufpasse und wippe vor mich hin.

Mein Freund hat einen kleinen Laden in der Changle Lu. Von seiner Außentreppe, die in den ersten Stock des hübschen Reihenhäuschen führt, kann ich die vorbeispatzierenden Passanten beobachten,die neugierig durch die Gitterstäbe des Zaunes spähen. Was sich hier befindet? Junge Leute - eher die mit Überlegung gekleideten - treten ein, andere gehen achtlos weiter. Im Vorgarten stehen Kleiderstange neben Fahrrad, Schaukelpferd neben Skluptur. Eine Gitarre ist in aufeinandergestapelten Holzboxen vergessen worden. Leere und weniger leere Flaschen sind neben mir auf den Treppenstufen aufgereiht und verbreiten süßlichen Alkoholdunst.

Im Laden dagegen ist alles fein säuberlich angeordnet. Ich öffne die Tür nur einen kleinen Spalt und bitte um Ruhe. Die Kleidung ist reinlich und duftet. Die Musikplatten und Magazine sind penibel gestapelt und exakt parallel zu den Regalkanten ausgerichtet. Eine Lavendelwolke hüllt mich ein und reinigt mich von Dreck und Abgasen der Shanghaier Strasse.
Und ich glaube, es weht kein Wind mehr. Die Motorroller, die sonst unablässig über die Strasse zischen, die Autos, die donnernd vorbeiziehen, sind ganz stehen geblieben. Es sind genau diese kleinen ruhigen Pausen zwischen Allem und Nichts, in denen sich mein Kopf für einen Moment vom Genick lösen kann und es keine Rolle spielt, ob ich in Shanghai oder Berlin bin.




Samstag, 10. November 2012

Grillen und anderes Getier


Wenn man am späten Abend durch diese Straße in meiner Nachbarschaft spaziert, sind die Gassen, die tagsüber chaotisch geschäftig sind, erstaunlich ausgestorben. Hinter den verhängten Fensterscheiben sehe ich die Silhouetten der kochenden Familien. Hinter der Ecke steht ein kleiner Chaofan-Stand (gebratener Reis), hinter dem die wartende Köchin schon fast schlummert. Nur aus den verschlossenen und vergitterten Läden kommen Geräusche: aufdringliches Grillenzirpen. Es ist nachts und jeder ist nur auf eigene Verantwortung in seinem Bett. Und diese Grillen, die ich hier höre, gehören allem Anschein nach zu den Nachtschwärmern.
Es ist nämlich so, dass meine Gasse sich auf den Verkauf von Kleintieren spezialisiert hat - Kleintiere, die entweder zum Verzehr oder zur Haltung (oder eben beides) genutzt werden. So findet sich in diesen Läden eine sehr große Auswahl an Insekten, Kaninchen und Meerestieren. Fingergroße Grillen, die in kleinen runden Plastikboxen einen wahnsinnigen Krach veranstallten, piepsende weiße Mäuse, die nervös in überquellenden Kästen strampeln, dann Schildkröten, Kanienchen und andere Insektenarten, die in Schaukästen zu begutachten sind. Da gerade Krabbenzeit ist, gesellen sich die Krabbenverkäufer noch dazu, deren Krabben jedoch aufgrund der kalten Temperaturen dieses Jahr kleiner ausfallen (sehr zum Missfallen der Shanghaier).
Doch von diesem hektischen Durcheinander ist nachts nichts zu merken. Nur das unablässigeZirpen hinter der vergitterten Tür lässt erahnen, was sich dahinter verbirgt.

Doch nun zu den Grillen. In China werden sie bereits seit Jahrhunderten in kleinen Käfigen gehalten, die aus Bambus, Holz oder Kürbissen hergestellt werden. Sie sind ein beliebter Zeitvertreib vornehmlich für ältere Herren.
Zwar ist hierzulande Glücksspiel offiziell verboten, trotzdem gibt es genug Möglichkeiten sein Pensionsgeld zu verwetten - etwa bei Grillenkämpfen. Das kann den Kaufpreise für Grillen in unvorstellbare Höhe treiben. Mehrere Tausend Yuan, so erzählt mir der Verkäufer, werden auf dem Markt für eine besonders vielversprechende, männliche Grille bezahlt. Grillenweibchen dagegen werden für ein paar Yuan als Schnäppchen angeboten. Grillenkämpfe haben ihren Ursprung in der Tang Dynastie, wurden jedoch während der Kulturrevolution als "bürgerliche" Zeitverschwendung verboten. Nun finden hauptsächlich ältere, pensionierte Herren wieder zu der Grillenhaltung und kümmern sich rührend um ihre Haustiere. Vor den Wettkämpfen lassen sie die Grille strikte Diäten einhalten und sorgen dafür, dass die Grillenmännchen ein liebevolles Weibchen an ihrer Seite haben, damit sie sich am Wettkampftag gegen die Konkurrenz durchsetzen. Im Kampf stürzen sich die Grillen laut zirpend aufeinander, bis eine entweder tot, verstümmelt oder auf- (oder an-) gefressen ist. Manche Länder begeistern sich für blutiges Stierkampfgemetzel, andere für Grillenkämpfe.

Für mich, erklärt mir einer der Grillenverkäufer, sei dieser Sport jedoch nichts. Als Frau könne ich Grillenkämpfe ohnehin nicht verstehen. Ich solle mich doch besser nach einem anderen Haustier umschauen.
Ich werde mich nun aber erstmal nach dem nächsten Wettkampftreffen umhören.