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Dienstag, 20. November 2012

Der Herr und Gebieter über mein Internet


Während des 18. Parteitages begrüsste mich mein VPN jeden Morgen mit dem Hinweis der eingeschränkten Nutzung in China. An die Nervereien, die damit verbunden sind, regelmässig einen Blog zu schreiben, andere zu lesen und meine Facebook Nachrichten zu beantworten bin ich gewöhnt und sie sind überbewertet. Wer möchte, der weiss wie man die Great Firewall umgeht. Doch während des 18. Parteikongresses verschärfte sich nun abermals die Lage. Google wurde zeitweilig gesperrt, die VPNs ausser Kraft gesetzt und die Zensur von Mikroblogs massiv verschärft.

Jedes Mal, wenn der VPN seinen Geist aufgibt und ich meine Emails nicht abrufen kann, möchte ich einen Kopf vor mir sehen, den ich in meiner Vorstellung an den Pranger stellen kann. Mit Frust und Ärger gehe ich besser um, kann ich jemanden dafür verantwortlich machen. Aber an wem lasse ich meinen Frust aus, wem gebe ich die Schuld daran, dass meine Internetverbindung zu langsam ist oder die New York Times gesperrt ist?

Der Zensur- und Propagandachef der KP, der die rund 538 Millionen Internetnutzer in China kontrolliert, heisst Liu Yushan und hat seit letzter Woche einen der begehrten Plaetze im Ständigen Ausschuss des Politbüros ergattert. Lius ehemaliger Boss Li Changchun, der im letzten Ständigen Ausschuss für Zensur und Progapanda zuständig war, wird meist für die verstärkte Zensur der Medien in den letzten Jahren verantwortlich gemacht. Denn seit der Machübernahme Hu Jintaos wurde eher eine Verschlechterung der Medienfreiheit beobachtet. Plazierte "Freedom House" China 2007 noch auf Platz 163, so stieg China 2011/2012 auf Platz 174 ab. Angesichts der konservativen Prägung des Ständigen Ausschusses gehen viele Beobachter davon aus, dass sich die Situation noch verschlimmert. Aber was könnte noch alles gesperrt werden? Welche Regelungen können noch eingeführt werden, um die Medien und Internetnutzung noch stärker einzuschränken?

Erinnern wir uns zunächst, was wir Li Changchun verdanken. Seit 2009 - seit den Unruhen in Xinjiang - sind Twitter und Facebook gesperrt. Human Rights Websites kamen hinzu, genauso wie Youtube, Blogspot, Wordpress, Bloomberg und IMDB. Seit letztem Oktober fand sich dann auch die New York Times auf der Liste der gesperrten Websites. Anfang diese Jahres erregte die Ausweitung der Registrierungspflicht für Mikroblogger und Forumsnutzer regulärer Blogs grosse Empörung. Nutzer müssen sich von nun an mit ihrem richtigen Namen registrieren lassen, was auf eine verstärkten Kontrolle der Blogger hinausläuft.
Mikroblogging - die chinesische Entsprechung zu twittern - ist in China jedoch extrem beliebt. Allein Sina Weibo, das Netz, das Twitter nach seiner Sperrung ersetzte, hat rund 300 Millionen Nutzer. Nicht nur brisante Inhalte werden bei Sina herausgefiltert, User können auch gesperrt werden, wenn sie über sensible, politische Themen schreiben. Tippte man während des Parteitages "party congress" in die Sina-Suchzeile, wurde angezeigt: "Due to relevant laws, policies and regulations, the result of your search are not displayed."

Wer aber ist dieser Liu Yunshan, von dessen Gnade die weltweit grösste Gruppe von Internetnutzern abhängt? Liu, 1947 in Xinzhou (Shanxi) geboren,hatte in der Inneren Mongolei Erfahrungen im Propagandaapperat gesammelt. Zunächst arbeitete er als Lehrer, später bei der staatlich kontrollierten Nachrichtenagentur Xinhua und schliesslich in einer Propagandaabteilung der KP beschäftigt. 1993 wurde er nach Beijing als Vizeleiter der Propagandaabteilung des Zentralkomitees der KP berufen. 2002 stieg er zum Leiter der Propagandaabteilung auf und wurde Mitglied des Politbüros.
Du Daozheng, ein liberaler und reformbefürwortender Parteiveteran, war als Chef der "General Administration of Press and Publications" in den späten 80er Jahren, Lius Vorgesetzer, als dieser als Xinhua Reporter in der Inneren Mongolei arbeitete. Einem Artikel der "South China Morning Post" (17.11.2012, Verna Yu) zufolge beurteilt Du seinen Untergebenen Liu folgendermassen: "Liu himself is not a bad person. I have know him for years. He is a boy from the countryside, worked hard at school.(...) Later he went to the central propaganda department and basically followed that tune." He said Liu became conservative after entering the party's propaganda department."



Liu Yunshan
© REUTERS/Jason Lee

Welche Spielereien lassen Sie sich, Herr Liu, nun also noch einfallen, um die chinesische Internetgemeinde und damit auch die öffentliche Meinung unter Kontrolle hatte?